Sunday 30 August 2015

STURZ DER TITANEN - KAPITEL 1

22. Juni 1911

An demTag, als George V. in der Westminster Abbey den Thron bestieg, fuhr Billy Williams zum ersten Mal in die Grube von Aberowen ein.

Es war Billys dreizehnter Geburtstag.

Sein Vater weckte ihn mit einer eher zweckmäßigen als sanften Methode: Rhythmisch klaschte er den Handrücken gegen Billys Wange. Billy, aus dem Schlaf geholt, versuchte anfangs, die unsanfte Behandlung nicht zu beachten, doch Dah hörte einfach nicht damit auf. Billy wollte schon wütend werden, als ihm einfiel, dass er aufstehen musste, sogar wollte. Er öffnete die Augen und setzte sich auf.

"Vier Uhr", sagte Dah und verschwand wieder. Seine Stiefel bollerten auf den hölzernen Stufen, als er die Treppe hinunterstieg.

Billys großer Tag war gekommen. Heute würde er in der Zeche von Aberowen sein Arbeitsleben als Grubenjunge beginnen, so wie vor ihm die meisten Männer in dem südwalisischen Ort, als sie in Billys Alter gekommen waren. Nur hätte Billy sich jetzt gerne ein bisschen mehr wie ein Bergmann gefühlt... Er musste an David Crampton denken, der an seinem ersten Tag in der Zeche geflennt hatte und den man seitdem "Crybaby" nannte, Heulsuse, obwohl er schon fünfundzwanzig war und die große HOffnung der örtlichen Rugbymannschaft. Billy war entschlossen, sich nicht zum Gespött zu machen.

Gestern war Sommersonnenwende gewesen, und das Licht des frühen Morgens fiel durch das winzige Fenster. Billy blickte auf seinen Großvater, der im gleichen Bett neben ihm lag. Gramper hatte die Augen offen. Er sagte immer, alte Leute bräuchten nicht viel Schlaf. Wahrscheinlich war er deshalb immer wach, egal, wann Billy aufstand.

Billy stieg aus dem Bett. Er trug nur seine Unterhose. Bei kaltem Wetter behielt er zum Schlafen auch das Hemd an, doch es war ein warmer Frühsommer in diesem Jahr, und die Nächte waren mild.

Billy zog den Nachttopf unter dem Bett hervor, nahm den Deckel ab und zog seinen "Peter" as der Hose, wie er ihn bei sich nannte, um zu pinkeln. Traurig betrahtete Billy das noch immer kindlich kleine Ding. Seine stille Hoffnung, sein Peter würde in der Nacht vor seinem Geburtstag wachsen oder dass da unten wenigstens irgendwo ein schwarzes Haar sprießte, wurde bitter enttäuscht. Neidvoll dachte Billy an seinen besten Freund Tommy Griffiths, der auf den Tag genause alt war wie er selbst. Tommy hatte schon dunklen Flaum auf der Oberlippe, seine Stimme wurde tiefer, und sein Peter sah aus wie der eines Mannes. Es war niederschmetternd.

Während Billy so in den Topf pinkelte, schaute er aus dem Fenster auf die Halde, ein schmutzig graues Massiv, gewachsen aus dem Abraum aus der Zeche, hauptsächlich Schiefer und Sandstein. So muss die Erde am zweiten Tag der Schöpfung ausgesehen haben, überlegte Billy, bevor Gott die Pflanzen erschaffen hatte, indem er sprach: "Es lasse die Erdde aufgehen Gras und Kraut."Ein leichter Wind trieb feinen schwarzen Staub von der Halde zu den Häuserreihen.

In Zimmer war noch weniger zu sehen als draußen. Es lag im hinteren Teil des Hauses, ein winziger Verschlag, gerade groß genug für ein Bett, eine Kommode und Grampers alte Kiste. An der Wand hing ein gestickter Spruch::


GLAUBE AN JESUS CHRISTUS
UNSEREN HERRN 
UND DU SOLLST
ERRETTET WERDEN

Einen Spiegel gab es nicht. 

Eine Tür führte zum Fuß der Treppe, eine weitere zu dem zweiten Schlafzimmer, das nach vorn rausging und nur durch Billys Kammer betreten werden konnte. Das andere Zimmer war größer und hatte Platz für zwei Betten, in denen Dah und Man schliefen. Auch Billys Schwestern hatten in dem Zimmer geschlafen, aber das war lange her. Ethel, die Älteste, hatte das Haus verlassen und die anderen drei waren gestorben: eine an den Masern, eine am Keuchhusten, eine an Diphtherie. Billy hatte auch einen älterer Bruder gehabt, Wesley, mit dem er in einem Bett geschlaffen hatte, ehe Gramper zu ihen gezogen war. Wesley war unter Tage von einem Hunt überrollt worden, einem der Förderwagen, in denen man die Kohle transportierte. 

Billy streifte sich sein Hemd über, das gleiche, das er gestern noch zur Schule angehabt ahtte. Heute war Donnerstag, und er wechselte sein Hemd nur sonntags. Doch Billys Hose war neu. seinen erste lange Baumwollstoff. Stolz streifte Billy die Hose über, verkörperte sie doch so etwas wie den Eintritt in die Welt der Männer. Der schwere Stoff f¨hlte sich derb und irgendwie männlich an. Billy schnallte sich den dicken Ledergürtel um, stieg in die Stiefel, die er von Wesley geerbt hatte, und ging nach unten. 

Den großen Teil des Erdgeschosses nahm die Wohnküche in Beschlag - ein bescheidenes Zimmer, fünfzehn Fuß im Geviert. In der Mitte stand ein Tisch, an einer Wand war ein Kamin, und auf dem Steinfußboden lag ein selbst geknüpfter Teppich. Dah saß am Tisch, die Brille auf der langen, spitzen Nase, und las in einer alten Ausgabe der Daily Mail. Mam goss Tee auf. Als sie Billy erblickte, setzte sie den dampfenden Wasserkessel ab und küsste ihren Sohn auf die Stirn. "Und wie geht's meinem kleinen Mann an seinem Geburtstag?"

Billy, leicht verärgert, antwortete nicht. Das "klein" verletzte ihn, denn er WAR klein, und das "Mann" war nicht weniger schmerzlich, weil er eben noch kein Mann war. Er schlurfte in die Küche an der Hinterseite des Hauses, tauchte eine Blechschüssel ins Wasserfass und wusch sich Hände und Gesicht; dann goss er das Wasser in den flachen Spülstein. Der Waschkessel über dem Feuerrost wurde nur benutzt, wenn am Samstagabend das Badewasser erhitzt wurde. 

Aber bald sollten sie fließendes Wasser bekommen. Mehrere Bergmanshäuser, darunter das von Tommy Griffith's Familie, waren schon an die Leitung angeschlossen. Billy hatte Bauklötze gestaunt, als Tommy inm gezeigt hatte, wie man eine Tasse kaltes klares Wasser bekam, indem er einfach nur am Hahn drehte, ohe dass man einen Eimer zum Standrohr auf der Straße tragen musste. Doch bis zur Wellington Row, wo die Williams wohnten, war das fließende Wasser noch nicht vorgedrungen. 

Billy kehrte in die Stube zurück und setzte sich an den Tisch. Mam stellte ihm eine große Tasse Tee mit Milch hin, in den sie bereits Zucker eingerührt hatte. Dann schnitt sie Billy zwei dicke Scheiben selbst gebackenes Brot ab und holte Schmalz aus der Speisekammer unter der Treppe. Billy faltete die Hände, schloss die Augen und sagte: "Danke-o-Herr-für-diese-Speise-Amen". Dann trank er einen Schluck Tee und strich dick Schmalz auf sein Brot. 

Dahs hellblaue Augen blickten über den Rand der Zeitung. "Tu dir Salz drauf", sagte er. "Unter Tage schwitzt du".

Billys Vater war Funktionär der südwalisishen Bergarbeitergewerkschaft, der stärksten Gewerkschaft in Großbritannien, wie er bei jeder Gelegenheit hervorhob. Das hatte ihm den Namen "Dai Union"" eingetragen, wobei Dai die Kurzform für David war - oder "Dafydd" aus Walisisch, ein beliebter Name in Wales, war der heilige David doch der Schutzpatron des Landes. Die vielen "Dais" unterschied man nicht an ihren Nachnamen - in der Stadt hießen fast alle Jones, Williams, Evans oder Morgan -, sondern anhand eines Spitznamens, wobei eine humorvolle Variante bevorzugt wurde. Billy zum Beispiel hieß Williams Williams, also nannte ihn alle "Billy Twice", den "doppelten Billy". Und Mam wurde "Mrs. Dai Union" genannt, da Frauen oft den Spitznamen ihres Mannes bekamen. 

Gramperkam herunter, als Billy seine zweite Schnitte Brot aß. Trotz des warmen Wetters trug er Jacke und Weste. Nachdem er sich die Hände gewaschen hatte, setzte er sich Billy gegenüber an dem Tisch. "Nun guck nicht so bang", sagte er. Ich war zehn, wie ich das erste Mal eingefahren bin. Mein Vater war noch jünger, erst fünf, und er musste von sechs am Morgen bis sieben am Abend schuften. Von Oktober bis März hat er kein Mal das Tageslicht gesehn.

"Ich bin nicht bang", widersprach Billy, obwohl ihm die Angst im Magen wühlte. 

Aber Gramper, freundlich wie immer, ging nicht weiter darauf ein. Billy mochte Gramper sehr, denn er behandelte ihn wie einen erwachsener Mann. Dah hingegen war streng und konnte ziemlich scharfzüngig sein, und Mam behandelte ihn wie ein Baby. 

"Hört euch das mal an", sagte Dah und löste den Blick von der Zeitung. Er hätte sich niemals eine Mail gekauft - in seinen Augen war sie ein konservatives Käseblatt -, doch wenn jemand ein Exemplar liegen gelassen hatte, brachte er es mit nach Hause und las dann mit verächtlicher Stimme daraus vor, voller Spott für die Dummheit und Unehrlichkeit der herrschenden Klasse. "Lady Diana Manners, jüngere Tochter des Herzogs von Rutland, zog Unwillen auf sich, als sie auf zwei verschiedenen Bällen das gleiche Kleid trug. Für ihr Ensemble aus schulterfreiem Fischbeinstäbchenoberteil und Reifrock hatte Lady Diana auf dem Savoy Ball zweihunderfünfzig Guineas Preisgeld erhalten... "Dah senkte die Zeitung und sagte: "Dafür muss du fünf Jahre schuften, Billy-Boy." Dann fuhr er fort: "was sie jedoch nicht daran hinderte, in demselben Gewand zum Empfang Lord Wintertons und F.E. Smiths im Hotel Claride zu erscheinen, worauf sie sich das Naserümpfen der Kener zuzog. Man kann des Guten auch zu viel tun, sagten die Leute. "Wieder hob Dah den Blick. "Schlüpf bloß in'n anderes Ensemble, Mam, sagte er. "Oder willste dir das Naserümpfen der Kenner zuziehen?"

Mam fand das gar nicht komisch. Sie trug ein altes braunes Wollkleid mit Flicken auf den Ellbogen und fleckigen Achseln. "Ich weiß zwar nicht, was'n Ongsombel ist, aber wen ich zweihundertfünfzig Guineas hätte, würde ich besser aussehen als Lady Diana Dingsbums", erwiderte sie nicht ohne Bitterkeit. 

"Da hat se recht", sagte Gramper. "Cara war immer schon die Hübscheste, genau wie ihre Mutter." Gramper schaute Billy an. "Deine Großmutter war'ne Italienerin, weißte. Maria Ferrone hat sie geheißen." Das wusste Billy längst, aber Gramper erzählte gerne die alten Familiengeschichten, immer und immer wieder. "Von der ha'm deine Mam und deine Schwester ihre schwarzen Haare und die schönen dunklen Augen. Und deine Oma war das schönste Mädchen in ganz Cardiff, und ich hab sie gekriegt." Plötzlich blichte er traurig drein. "Ach, war'n das Nächte!, fügte er wehmütig hinzu. 

Dah runzelte missbilligend die Stirn, schwangen in solchen Worten doch fleischliche Gelüstemit, aber Mam fruete sich über die Komplimente und lächelte, als sie Gramper das Frühstück vorsetzte. "Ja", sagte sie. "Ich und meine Schwester, wir hatten den feinen Pinkelnschon gezeigt, was ein schönes Mädchen ist, wenn wir Geld für Seide und Spitze gehabt hätten."

Billy staunte. Er hätte seine Mutter nie als schön angesehen, musste aber einräumen, dass sie ganz nett aussah, wenn sie sich für das Gemeindetreffen am Samstagabend herausputzte, besonders mit Hut. Vielleicht war sie wirklich mal hübsch gewesen, doch irgendwie konnte Billy es sich schwer vorstellen. 

Und die Familie von deiner Oma Billy-Boy, das waren alles kluge Leute", fuhr Gramper fort. "Mein Schwager war Bergmann, weißte, bis er in Tenby ein Cafe eröffnet hat. Das is' mal'n Leben - immer frische Seeluft und den ganzen Tag nix anderes tun als Kaffee kochen und Geld zählen!"

Dah sagte: "Hört mal, was hier steht. Im Rahmen der Krönungsvorbereitungen hat der Buckingham Palace ein Anleitungsbuch von zweihundertzwölf Seiten Umfang herausgeben." Er blickte über den Zeitungsrand. "Sag das den Jungs unter Tage, Billy-Boy. Die erden erleichtert sein, dass unser Königshaus nichts dem Zufall überlässt. 

Billy interessierte sich nicht besonders für das Königshaus, eher schon für die Abenteuergeschichten, die ab und zu in der Mail standen, Geschichten über tapfere, Rugby spielende Eliteschüler, die hinterhältigen deutschen Spionen das schmutzige Handwerk legten. Glaubte man der Mail, wimmelte es in jeder britischen Stadt von deutschen Agenten. Nur um Aberowen schienen sie zu Billys Enttäuschung einen weiten Bogen zu machen. 

Billy stand auf. "Ich geh mal die Straße runter," verkündete er und verschwand durch ide Vordertür. "Die Straße runtergehen" bedeutete, dass man zum öfentlichen Abort ging. Auf halber Höhe der Wellington Row stand über einem tiefen Erdloch ein niedrieger Ziegelbau mit Wellblechdach. Der Bau war in zwei Hälften geteilt, eine für Männer, die andere für Frauen. Jede Hälfte hatte zwei Stize, sodass man jeweils zu zweit aufs Klo ging. Niemand wusste, weshalb die Erbauer diese Anordnung gewählt hatten, aber alle machten das Beste daraus: Die Männer blickten stier nach vorn und hüllten sich in Schweigen, während die Frauen munter drauflos schwatzten. Der Gestank war pestilenzialisch, selbst dann noch, wenn man ihn sein Leben lang kannte. Wenn Billy auf dem Donnerbalken saß, versuchte er jedes Mal, so lange wie möglich den Atem anzuhalten;  wenn er dann ins Freie kam, schnappte er nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen. Regelmäßig wurde die Jauche von einem Mann aus dem Loch geschaufelt, den man folgerichtig "Dai Schiss" nannte. 

Als Billy wieder ins Haus kam, sah er zu seiner Freude seine Schwester Ethel am Tisch sitzen. "Herzlichen Glückwünsch zum Geburtstag, Billy!", rief sie. "Ich musste einfach kommen und dir'nen Kuss geben, ehe du einfährst".

Ethel war achtzehn, und anders als bei Mam fiel es Billy überhaupt nicht schwer, sie als hübsch einzustufen. Ihre mahagonibraunen Locken ließen sich kaum bändigen, und in ihren dunklen Augen funkelte der Schalk. Vielleicht hatte Mam früher auch so ausgesehen. Ethel trug das schlichte schwarze Kleid und das weiße Baumwollhäubschen eines Hausmädchens, und es stand ihr gut.

Billy vergötterte Ethel. sie war nicht nur hübsch, sie war auch lustig, klug und tapfer, und manchmal bot sie sogar Dah die Stirn. Sie erzählte, zum Beispiel, dass Frauen jeden Monat ein para Tage lang den "Flucht" hatten, wie Ethel es nannte, oder was die "öffentliche Unzucht" gewesen war, die den anglikanischen Pfarrer gezwungen hatte, fluchtartig die Stadt zu verlassen. In der Schule war Ethel immer die Klassenbeste gewesen; mit ihrem Aufsatz "Mein Heimatort" hatte sie bei eine Wettbewerb des South Wales Echo sogar den ersten Preis gewonnen: ein Exemplar von Cassells Weltatlas.

Sie küsste Billy auf die Wange. "Ich hab unserer Haushälterin gesagt, dass uns die Stiefelwichse ausgegangen ist und dass ich welche aus der Stadt hole. "Ethel wohnte und arbeitete auf Ty Gwyn, dem Herrenhaus von Earl Fitzherbert eine Meile den Hügel hinauf. "Hier". Sie reichte Billy ein sauberes Tuch, in das etwas eingeschlagen war. "Ich hab ein Stück Kuchen für dich geklaut."

"Oh, danke Eth!!", rief Billy. Kuchen aß er für sein Leben gern. Mam fragte: "Soll ich den Kuchen in deine Brotdose tun, Billly?"

"Ja, bitte, danke."

Mam holte eine Blechdose aus dem Schrank und legte den Kuchen hinein. Dann schitt sie noch zwei Brotscheiben ab, bestrich sie mit Schmalz, streute Salz darauf und legte sie zu dem Kuchen. Alle Bergleute hatten Brotdosen aus Blech. Hätten sie ihr Essen in ein Tuch eingehüllt mit unter Tage genommen, hätten die Mäuse es ihnen noch vor dem ersten "Buttern" - der ersten Pause - weggefressen.

"Wenn du deinen ersten Lohn nach Hause bringst", sagte Mam, "kriegst du eine Scheibe gebratenen Speck aufs Brot."

Viel würde Billy anfangs nicht verdienen, doch seine Familie konte das Geld gut gebrauchen. Er fragte sich, wie viel Mam ihm als Taschengeld Lassen würde und ob er jemals genug sparen könnte, um sich das Fahrrad zu kaufen, das er sich mehr wünschte als alles andere auf der Welt.

Ethel setzte sich wieder an den Tisch.

"Wie geht's den so zu im großen Haus?", fragte Dan.

"Oooch, ganz ruhig", antwortete Ethel. "Der Earl und die Fürstin fähren zur Krönung nach London!" Sie schaute zu der Uhr auf dem Kaminsims. "Sie müssen gleich aufstehen, damit sie früh genug in der Abbey sind. Na, das wird ihr gar nicht gefallen, weil sie immer lange im Bett liegt, aber beim König darf nicht einmal sie zu spät kommen." Die Frau des Earls, Bea, war eine russische Fürstin und überaus vornehm.

"Sie wollen bestimmt vorne sitzen, damit sie den ganzen Zirkus sehen können, was?"

"Nein, nein, man kann sich nicht einfach hinsetzen, wo man will", sagte Ethel. "Jeder hat einen eigenen Mahagonistuhl mit seinem Namen in Goldschrift hintendrauf. Für die Feier sind eigens sechstausend Stühle gemacht worden."

"Na, datt nenn ich Verschwendung!", rief Camper. "Watt machen se denn nachher damit?"

"Weiß nicht. Vielleicht tut jeder seinen Stuhl als Andenken mit nach Hause nehmen."

Dah meinte trocken: "Sag ihnen, wenn einer übrig bleibt, sollen sie ihn uns schicken. Wir sind nur fünf, und deine arme alte Mam muss stehen."

Wenn Dah sich flapsig gab, steckte manchmal eine Stinkwut dahinter. Ethel sprang auf. "Oh, tut mir leid, Mam, ich hab nicht nachgedacht."

"Bleib nur sitzen." Mam winkte ab, "Ich hab sowieso keine Zeit." Die Uhr schlug fünf. "Am besten, duu bist ein bisschen früher da, Billy-Boy", sagte Dah. "Damit von vornherein alle wissen, dass du dabeibleiben willst."


 


Ken Follett - Sturz der Titanen