Thursday 17 December 2015

DER "AUTÓNOMO SOCIETARIO"






Vorsicht mit der Regelung des "autónomo societario"!

Jeder selbstständige Mitarbeiter, der gleichzeitig:

  • 25% der Anteile an einem von ihm geführten Unternehmen hat, oder
  • 33% der Anteile an einem Unternehmen hat, für das er arbeitet, oder
  • Lebensgefährte eines Unternehmenspartners ist, der zumindest 50% der Anteile hat

musst sich beides bei der Sozialversicherung und beim Finanzamt als “autonomo societario” (selbstständige Unternehmer) anmelden.

Die an den o.g. selbständigen Mitarbeiter angewendete Regulierung ist fiskalisch strikter, wenn es klar ist, dass der Mitarbeiter unabhängig arbeitet. Sollte es der Fall sein, dann musste der “autonomo societario” unbedingt seine Rechnungen mit Umsatzsteuer stellen.

Es wird vermutet, dass ein “autónomo” unabhängigkeit arbeitet:

  • wenn er nicht unter der Organisationsstruktur eines Unternehmens ist, weil er, z.B., seine eigene Feiertagen und Arbeitszeiten einstellen kann.
  • wenn er das Risiko (bzw. das Gewinn) seiner Aktivität auf sich nimmt,
  • wenn er die vertragliche Haftung gegenüber den Firmenkunden ausgeht.

Im Gegensatz dazu, wenn ein selbstständige Mitarbeiter, der auch Geschäftspartner ist, in den o.g. 3 Fällen der “autónomo societario” wäre, könnte er auch eine Gehaltsabrechnung bei der Firma haben, genau wie die anderen Mitarbeiter.



 
Copyright Luisa Fernández Baladrón
 
Usted puede utilizar este enlace en su página, reenviar este texto o distribuir el documento completo de forma GRATUITA y SIN MODIFICARLO. No puede modificar, extraer o copiar este texto sin la autorización de su autor.

Sunday 30 August 2015

STURZ DER TITANEN - KAPITEL 1

22. Juni 1911

An demTag, als George V. in der Westminster Abbey den Thron bestieg, fuhr Billy Williams zum ersten Mal in die Grube von Aberowen ein.

Es war Billys dreizehnter Geburtstag.

Sein Vater weckte ihn mit einer eher zweckmäßigen als sanften Methode: Rhythmisch klaschte er den Handrücken gegen Billys Wange. Billy, aus dem Schlaf geholt, versuchte anfangs, die unsanfte Behandlung nicht zu beachten, doch Dah hörte einfach nicht damit auf. Billy wollte schon wütend werden, als ihm einfiel, dass er aufstehen musste, sogar wollte. Er öffnete die Augen und setzte sich auf.

"Vier Uhr", sagte Dah und verschwand wieder. Seine Stiefel bollerten auf den hölzernen Stufen, als er die Treppe hinunterstieg.

Billys großer Tag war gekommen. Heute würde er in der Zeche von Aberowen sein Arbeitsleben als Grubenjunge beginnen, so wie vor ihm die meisten Männer in dem südwalisischen Ort, als sie in Billys Alter gekommen waren. Nur hätte Billy sich jetzt gerne ein bisschen mehr wie ein Bergmann gefühlt... Er musste an David Crampton denken, der an seinem ersten Tag in der Zeche geflennt hatte und den man seitdem "Crybaby" nannte, Heulsuse, obwohl er schon fünfundzwanzig war und die große HOffnung der örtlichen Rugbymannschaft. Billy war entschlossen, sich nicht zum Gespött zu machen.

Gestern war Sommersonnenwende gewesen, und das Licht des frühen Morgens fiel durch das winzige Fenster. Billy blickte auf seinen Großvater, der im gleichen Bett neben ihm lag. Gramper hatte die Augen offen. Er sagte immer, alte Leute bräuchten nicht viel Schlaf. Wahrscheinlich war er deshalb immer wach, egal, wann Billy aufstand.

Billy stieg aus dem Bett. Er trug nur seine Unterhose. Bei kaltem Wetter behielt er zum Schlafen auch das Hemd an, doch es war ein warmer Frühsommer in diesem Jahr, und die Nächte waren mild.

Billy zog den Nachttopf unter dem Bett hervor, nahm den Deckel ab und zog seinen "Peter" as der Hose, wie er ihn bei sich nannte, um zu pinkeln. Traurig betrahtete Billy das noch immer kindlich kleine Ding. Seine stille Hoffnung, sein Peter würde in der Nacht vor seinem Geburtstag wachsen oder dass da unten wenigstens irgendwo ein schwarzes Haar sprießte, wurde bitter enttäuscht. Neidvoll dachte Billy an seinen besten Freund Tommy Griffiths, der auf den Tag genause alt war wie er selbst. Tommy hatte schon dunklen Flaum auf der Oberlippe, seine Stimme wurde tiefer, und sein Peter sah aus wie der eines Mannes. Es war niederschmetternd.

Während Billy so in den Topf pinkelte, schaute er aus dem Fenster auf die Halde, ein schmutzig graues Massiv, gewachsen aus dem Abraum aus der Zeche, hauptsächlich Schiefer und Sandstein. So muss die Erde am zweiten Tag der Schöpfung ausgesehen haben, überlegte Billy, bevor Gott die Pflanzen erschaffen hatte, indem er sprach: "Es lasse die Erdde aufgehen Gras und Kraut."Ein leichter Wind trieb feinen schwarzen Staub von der Halde zu den Häuserreihen.

In Zimmer war noch weniger zu sehen als draußen. Es lag im hinteren Teil des Hauses, ein winziger Verschlag, gerade groß genug für ein Bett, eine Kommode und Grampers alte Kiste. An der Wand hing ein gestickter Spruch::


GLAUBE AN JESUS CHRISTUS
UNSEREN HERRN 
UND DU SOLLST
ERRETTET WERDEN

Einen Spiegel gab es nicht. 

Eine Tür führte zum Fuß der Treppe, eine weitere zu dem zweiten Schlafzimmer, das nach vorn rausging und nur durch Billys Kammer betreten werden konnte. Das andere Zimmer war größer und hatte Platz für zwei Betten, in denen Dah und Man schliefen. Auch Billys Schwestern hatten in dem Zimmer geschlafen, aber das war lange her. Ethel, die Älteste, hatte das Haus verlassen und die anderen drei waren gestorben: eine an den Masern, eine am Keuchhusten, eine an Diphtherie. Billy hatte auch einen älterer Bruder gehabt, Wesley, mit dem er in einem Bett geschlaffen hatte, ehe Gramper zu ihen gezogen war. Wesley war unter Tage von einem Hunt überrollt worden, einem der Förderwagen, in denen man die Kohle transportierte. 

Billy streifte sich sein Hemd über, das gleiche, das er gestern noch zur Schule angehabt ahtte. Heute war Donnerstag, und er wechselte sein Hemd nur sonntags. Doch Billys Hose war neu. seinen erste lange Baumwollstoff. Stolz streifte Billy die Hose über, verkörperte sie doch so etwas wie den Eintritt in die Welt der Männer. Der schwere Stoff f¨hlte sich derb und irgendwie männlich an. Billy schnallte sich den dicken Ledergürtel um, stieg in die Stiefel, die er von Wesley geerbt hatte, und ging nach unten. 

Den großen Teil des Erdgeschosses nahm die Wohnküche in Beschlag - ein bescheidenes Zimmer, fünfzehn Fuß im Geviert. In der Mitte stand ein Tisch, an einer Wand war ein Kamin, und auf dem Steinfußboden lag ein selbst geknüpfter Teppich. Dah saß am Tisch, die Brille auf der langen, spitzen Nase, und las in einer alten Ausgabe der Daily Mail. Mam goss Tee auf. Als sie Billy erblickte, setzte sie den dampfenden Wasserkessel ab und küsste ihren Sohn auf die Stirn. "Und wie geht's meinem kleinen Mann an seinem Geburtstag?"

Billy, leicht verärgert, antwortete nicht. Das "klein" verletzte ihn, denn er WAR klein, und das "Mann" war nicht weniger schmerzlich, weil er eben noch kein Mann war. Er schlurfte in die Küche an der Hinterseite des Hauses, tauchte eine Blechschüssel ins Wasserfass und wusch sich Hände und Gesicht; dann goss er das Wasser in den flachen Spülstein. Der Waschkessel über dem Feuerrost wurde nur benutzt, wenn am Samstagabend das Badewasser erhitzt wurde. 

Aber bald sollten sie fließendes Wasser bekommen. Mehrere Bergmanshäuser, darunter das von Tommy Griffith's Familie, waren schon an die Leitung angeschlossen. Billy hatte Bauklötze gestaunt, als Tommy inm gezeigt hatte, wie man eine Tasse kaltes klares Wasser bekam, indem er einfach nur am Hahn drehte, ohe dass man einen Eimer zum Standrohr auf der Straße tragen musste. Doch bis zur Wellington Row, wo die Williams wohnten, war das fließende Wasser noch nicht vorgedrungen. 

Billy kehrte in die Stube zurück und setzte sich an den Tisch. Mam stellte ihm eine große Tasse Tee mit Milch hin, in den sie bereits Zucker eingerührt hatte. Dann schnitt sie Billy zwei dicke Scheiben selbst gebackenes Brot ab und holte Schmalz aus der Speisekammer unter der Treppe. Billy faltete die Hände, schloss die Augen und sagte: "Danke-o-Herr-für-diese-Speise-Amen". Dann trank er einen Schluck Tee und strich dick Schmalz auf sein Brot. 

Dahs hellblaue Augen blickten über den Rand der Zeitung. "Tu dir Salz drauf", sagte er. "Unter Tage schwitzt du".

Billys Vater war Funktionär der südwalisishen Bergarbeitergewerkschaft, der stärksten Gewerkschaft in Großbritannien, wie er bei jeder Gelegenheit hervorhob. Das hatte ihm den Namen "Dai Union"" eingetragen, wobei Dai die Kurzform für David war - oder "Dafydd" aus Walisisch, ein beliebter Name in Wales, war der heilige David doch der Schutzpatron des Landes. Die vielen "Dais" unterschied man nicht an ihren Nachnamen - in der Stadt hießen fast alle Jones, Williams, Evans oder Morgan -, sondern anhand eines Spitznamens, wobei eine humorvolle Variante bevorzugt wurde. Billy zum Beispiel hieß Williams Williams, also nannte ihn alle "Billy Twice", den "doppelten Billy". Und Mam wurde "Mrs. Dai Union" genannt, da Frauen oft den Spitznamen ihres Mannes bekamen. 

Gramperkam herunter, als Billy seine zweite Schnitte Brot aß. Trotz des warmen Wetters trug er Jacke und Weste. Nachdem er sich die Hände gewaschen hatte, setzte er sich Billy gegenüber an dem Tisch. "Nun guck nicht so bang", sagte er. Ich war zehn, wie ich das erste Mal eingefahren bin. Mein Vater war noch jünger, erst fünf, und er musste von sechs am Morgen bis sieben am Abend schuften. Von Oktober bis März hat er kein Mal das Tageslicht gesehn.

"Ich bin nicht bang", widersprach Billy, obwohl ihm die Angst im Magen wühlte. 

Aber Gramper, freundlich wie immer, ging nicht weiter darauf ein. Billy mochte Gramper sehr, denn er behandelte ihn wie einen erwachsener Mann. Dah hingegen war streng und konnte ziemlich scharfzüngig sein, und Mam behandelte ihn wie ein Baby. 

"Hört euch das mal an", sagte Dah und löste den Blick von der Zeitung. Er hätte sich niemals eine Mail gekauft - in seinen Augen war sie ein konservatives Käseblatt -, doch wenn jemand ein Exemplar liegen gelassen hatte, brachte er es mit nach Hause und las dann mit verächtlicher Stimme daraus vor, voller Spott für die Dummheit und Unehrlichkeit der herrschenden Klasse. "Lady Diana Manners, jüngere Tochter des Herzogs von Rutland, zog Unwillen auf sich, als sie auf zwei verschiedenen Bällen das gleiche Kleid trug. Für ihr Ensemble aus schulterfreiem Fischbeinstäbchenoberteil und Reifrock hatte Lady Diana auf dem Savoy Ball zweihunderfünfzig Guineas Preisgeld erhalten... "Dah senkte die Zeitung und sagte: "Dafür muss du fünf Jahre schuften, Billy-Boy." Dann fuhr er fort: "was sie jedoch nicht daran hinderte, in demselben Gewand zum Empfang Lord Wintertons und F.E. Smiths im Hotel Claride zu erscheinen, worauf sie sich das Naserümpfen der Kener zuzog. Man kann des Guten auch zu viel tun, sagten die Leute. "Wieder hob Dah den Blick. "Schlüpf bloß in'n anderes Ensemble, Mam, sagte er. "Oder willste dir das Naserümpfen der Kenner zuziehen?"

Mam fand das gar nicht komisch. Sie trug ein altes braunes Wollkleid mit Flicken auf den Ellbogen und fleckigen Achseln. "Ich weiß zwar nicht, was'n Ongsombel ist, aber wen ich zweihundertfünfzig Guineas hätte, würde ich besser aussehen als Lady Diana Dingsbums", erwiderte sie nicht ohne Bitterkeit. 

"Da hat se recht", sagte Gramper. "Cara war immer schon die Hübscheste, genau wie ihre Mutter." Gramper schaute Billy an. "Deine Großmutter war'ne Italienerin, weißte. Maria Ferrone hat sie geheißen." Das wusste Billy längst, aber Gramper erzählte gerne die alten Familiengeschichten, immer und immer wieder. "Von der ha'm deine Mam und deine Schwester ihre schwarzen Haare und die schönen dunklen Augen. Und deine Oma war das schönste Mädchen in ganz Cardiff, und ich hab sie gekriegt." Plötzlich blichte er traurig drein. "Ach, war'n das Nächte!, fügte er wehmütig hinzu. 

Dah runzelte missbilligend die Stirn, schwangen in solchen Worten doch fleischliche Gelüstemit, aber Mam fruete sich über die Komplimente und lächelte, als sie Gramper das Frühstück vorsetzte. "Ja", sagte sie. "Ich und meine Schwester, wir hatten den feinen Pinkelnschon gezeigt, was ein schönes Mädchen ist, wenn wir Geld für Seide und Spitze gehabt hätten."

Billy staunte. Er hätte seine Mutter nie als schön angesehen, musste aber einräumen, dass sie ganz nett aussah, wenn sie sich für das Gemeindetreffen am Samstagabend herausputzte, besonders mit Hut. Vielleicht war sie wirklich mal hübsch gewesen, doch irgendwie konnte Billy es sich schwer vorstellen. 

Und die Familie von deiner Oma Billy-Boy, das waren alles kluge Leute", fuhr Gramper fort. "Mein Schwager war Bergmann, weißte, bis er in Tenby ein Cafe eröffnet hat. Das is' mal'n Leben - immer frische Seeluft und den ganzen Tag nix anderes tun als Kaffee kochen und Geld zählen!"

Dah sagte: "Hört mal, was hier steht. Im Rahmen der Krönungsvorbereitungen hat der Buckingham Palace ein Anleitungsbuch von zweihundertzwölf Seiten Umfang herausgeben." Er blickte über den Zeitungsrand. "Sag das den Jungs unter Tage, Billy-Boy. Die erden erleichtert sein, dass unser Königshaus nichts dem Zufall überlässt. 

Billy interessierte sich nicht besonders für das Königshaus, eher schon für die Abenteuergeschichten, die ab und zu in der Mail standen, Geschichten über tapfere, Rugby spielende Eliteschüler, die hinterhältigen deutschen Spionen das schmutzige Handwerk legten. Glaubte man der Mail, wimmelte es in jeder britischen Stadt von deutschen Agenten. Nur um Aberowen schienen sie zu Billys Enttäuschung einen weiten Bogen zu machen. 

Billy stand auf. "Ich geh mal die Straße runter," verkündete er und verschwand durch ide Vordertür. "Die Straße runtergehen" bedeutete, dass man zum öfentlichen Abort ging. Auf halber Höhe der Wellington Row stand über einem tiefen Erdloch ein niedrieger Ziegelbau mit Wellblechdach. Der Bau war in zwei Hälften geteilt, eine für Männer, die andere für Frauen. Jede Hälfte hatte zwei Stize, sodass man jeweils zu zweit aufs Klo ging. Niemand wusste, weshalb die Erbauer diese Anordnung gewählt hatten, aber alle machten das Beste daraus: Die Männer blickten stier nach vorn und hüllten sich in Schweigen, während die Frauen munter drauflos schwatzten. Der Gestank war pestilenzialisch, selbst dann noch, wenn man ihn sein Leben lang kannte. Wenn Billy auf dem Donnerbalken saß, versuchte er jedes Mal, so lange wie möglich den Atem anzuhalten;  wenn er dann ins Freie kam, schnappte er nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen. Regelmäßig wurde die Jauche von einem Mann aus dem Loch geschaufelt, den man folgerichtig "Dai Schiss" nannte. 

Als Billy wieder ins Haus kam, sah er zu seiner Freude seine Schwester Ethel am Tisch sitzen. "Herzlichen Glückwünsch zum Geburtstag, Billy!", rief sie. "Ich musste einfach kommen und dir'nen Kuss geben, ehe du einfährst".

Ethel war achtzehn, und anders als bei Mam fiel es Billy überhaupt nicht schwer, sie als hübsch einzustufen. Ihre mahagonibraunen Locken ließen sich kaum bändigen, und in ihren dunklen Augen funkelte der Schalk. Vielleicht hatte Mam früher auch so ausgesehen. Ethel trug das schlichte schwarze Kleid und das weiße Baumwollhäubschen eines Hausmädchens, und es stand ihr gut.

Billy vergötterte Ethel. sie war nicht nur hübsch, sie war auch lustig, klug und tapfer, und manchmal bot sie sogar Dah die Stirn. Sie erzählte, zum Beispiel, dass Frauen jeden Monat ein para Tage lang den "Flucht" hatten, wie Ethel es nannte, oder was die "öffentliche Unzucht" gewesen war, die den anglikanischen Pfarrer gezwungen hatte, fluchtartig die Stadt zu verlassen. In der Schule war Ethel immer die Klassenbeste gewesen; mit ihrem Aufsatz "Mein Heimatort" hatte sie bei eine Wettbewerb des South Wales Echo sogar den ersten Preis gewonnen: ein Exemplar von Cassells Weltatlas.

Sie küsste Billy auf die Wange. "Ich hab unserer Haushälterin gesagt, dass uns die Stiefelwichse ausgegangen ist und dass ich welche aus der Stadt hole. "Ethel wohnte und arbeitete auf Ty Gwyn, dem Herrenhaus von Earl Fitzherbert eine Meile den Hügel hinauf. "Hier". Sie reichte Billy ein sauberes Tuch, in das etwas eingeschlagen war. "Ich hab ein Stück Kuchen für dich geklaut."

"Oh, danke Eth!!", rief Billy. Kuchen aß er für sein Leben gern. Mam fragte: "Soll ich den Kuchen in deine Brotdose tun, Billly?"

"Ja, bitte, danke."

Mam holte eine Blechdose aus dem Schrank und legte den Kuchen hinein. Dann schitt sie noch zwei Brotscheiben ab, bestrich sie mit Schmalz, streute Salz darauf und legte sie zu dem Kuchen. Alle Bergleute hatten Brotdosen aus Blech. Hätten sie ihr Essen in ein Tuch eingehüllt mit unter Tage genommen, hätten die Mäuse es ihnen noch vor dem ersten "Buttern" - der ersten Pause - weggefressen.

"Wenn du deinen ersten Lohn nach Hause bringst", sagte Mam, "kriegst du eine Scheibe gebratenen Speck aufs Brot."

Viel würde Billy anfangs nicht verdienen, doch seine Familie konte das Geld gut gebrauchen. Er fragte sich, wie viel Mam ihm als Taschengeld Lassen würde und ob er jemals genug sparen könnte, um sich das Fahrrad zu kaufen, das er sich mehr wünschte als alles andere auf der Welt.

Ethel setzte sich wieder an den Tisch.

"Wie geht's den so zu im großen Haus?", fragte Dan.

"Oooch, ganz ruhig", antwortete Ethel. "Der Earl und die Fürstin fähren zur Krönung nach London!" Sie schaute zu der Uhr auf dem Kaminsims. "Sie müssen gleich aufstehen, damit sie früh genug in der Abbey sind. Na, das wird ihr gar nicht gefallen, weil sie immer lange im Bett liegt, aber beim König darf nicht einmal sie zu spät kommen." Die Frau des Earls, Bea, war eine russische Fürstin und überaus vornehm.

"Sie wollen bestimmt vorne sitzen, damit sie den ganzen Zirkus sehen können, was?"

"Nein, nein, man kann sich nicht einfach hinsetzen, wo man will", sagte Ethel. "Jeder hat einen eigenen Mahagonistuhl mit seinem Namen in Goldschrift hintendrauf. Für die Feier sind eigens sechstausend Stühle gemacht worden."

"Na, datt nenn ich Verschwendung!", rief Camper. "Watt machen se denn nachher damit?"

"Weiß nicht. Vielleicht tut jeder seinen Stuhl als Andenken mit nach Hause nehmen."

Dah meinte trocken: "Sag ihnen, wenn einer übrig bleibt, sollen sie ihn uns schicken. Wir sind nur fünf, und deine arme alte Mam muss stehen."

Wenn Dah sich flapsig gab, steckte manchmal eine Stinkwut dahinter. Ethel sprang auf. "Oh, tut mir leid, Mam, ich hab nicht nachgedacht."

"Bleib nur sitzen." Mam winkte ab, "Ich hab sowieso keine Zeit." Die Uhr schlug fünf. "Am besten, duu bist ein bisschen früher da, Billy-Boy", sagte Dah. "Damit von vornherein alle wissen, dass du dabeibleiben willst."


 


Ken Follett - Sturz der Titanen




Tuesday 16 June 2015

ERZÄHLER DER NACHT



 
Es ist schon eine seltsame Geschichte: Der Kutscher Salim wurde stumm. Wäre sie nnicht vor meinen Augen geschehen, ich hätte sie für übertrieben gehalten. Sie begann im August 1959 im alten Viertel von Damaskus. Wollte ich eine ähnlich unglaubliche Geschichte erfinden, so wäre Damaskus der beste Ort dafür. Nirgendwo anders als in Damaskus könnte sie spielen.
 
Unter den Einwohenrn von Damaskus gab es zu jener Zeit seltsame Menschen. Wen wundert das bei einer alten Stadt? Man sagt, wenn eine Stadt über tausend Jahre ununterbrochen bewohnt bleibt, versieht sie ihre Einwohner mit Merkwürdigkeiten, die sich in den vergangenen Epochen angesammelt haben. Damaskus blickt sogar auf ein paar tausend Jahre zurück. Da kann man sich vorstellen, was für sonderbare Menschen in den verwinkelten Gassen dieser Stadt herumlaufen. Der alte Kutscher Salim war der merkwürdigste unter ihnen. Er war klein und schmächtig, doch seine warme und tiefe Stimme ließ ihn leicht als einen großen Mann mit breiten Schultern erscheinen, und schon zu Lebzeiten wurde er zur Legende, was nicht viel heißen will in einer Stadt, wo Legenden und Pistazienrollen nur zwei von tausendundeine Spezialität sind.
 
Durch die vielen Putsche der fünftiger Jahre verwechselten die Bewohner des alten Viertels die Namen von Ministern und Politikern nicht selten mit denen von Schauspielern und anderen Berühmheiten. Aber für alle gab es im alten Stadtviertel nur diesen einen Kutscher Salim, der solchhe Geschichten erzählen konnte, daß die Zuhörer lachen und weinen mußten.
 
Unter den merkwürdigen Menschen hatten einige für jedes Geschehen ein passendes Sprichwort parat. Doch es gab nur einen Mann in Damaskus, der zu allem eine Geschichte wurßte, ob man sich nun in den Finger geschnitten, sich eine Erkältung geholt oder unglücklich verliebt hatte. Wie aber wurde der Kutscher Salim zum bekantesten Erzähler in unserem Viertel? Die Antwort auf diese Frage ist, wie nicht anders zu erwarten, eine Geschichte.
 
Salim war in den dreißiger Jahren Kutscher und fuhr die Strecke zwischen Damaskus und Beirut. Damals brauchten die Kutscher zwei anstregende Tage für die Fahrt. Zwie gefährliche Tage waren es, weil die Strecke durch die zerklüftete "Hornschluht" führte, wo es von Räubern nur so wimmelte, die ihr Brot damit verdienten, Vorbeifahrende auszurauben.
 
Die Kutschen waren kaum voneinander zu unterscheiden. Sie waren aus Eisen, Holz und leder gebaut und boten Platz für vier Fahrgäste. Der Kampf um die Fahrgäste war unbarmherzig; nicht selten entschied die härtere Faust, und die Gäste mußten, noch bleich vor Schreck, in die Kutsche des Siegers umsteigen. Auch Salim kämpfte, doch selten mit der Faust. Er setzte seine List und seine unbesiegbare Zunge ein.
 
Zur Zeit der Wirtschaftsskrise, als die Anzahl der Fahrgäste immer weniger wurde, mußte sich der gute Salim etwas einfallen lassen, um seine Famillie durchzubringen. Er hatte eine Frau, eineTochter und einen Sohn zu ernähren. Die Raubüberfälle mehrten sich, weil viele verarmte Bauern und Handwerker in die Berge flüchteten und ihr Brot als Weglagerer verdienten. Salim versprach den Fahrgästen leise: "Das konnte er versprechen, weil er zu vielen Räubern gute Beziehungen unterhielt. Unbehelligt fuhr er immer wieder von Damaskus nach Beirut und zurück. Erreichte er das Gebiet eines Banditen, so ließ er - von den Fahrgästen unbemerkt - mal etwas Wein, mal etwas Tabak am Straßenrand zurück, und der Räuber winkte ihm freundlich zu. Er wurde nie überfallen. Aber nach einer Weile sickerte das Geheimnis seines Erfolges durch, und alle Kutscher machten es ihm nach. Auch sie hinterließen Gaben am Straßenrand und durften friedlich weiterfahren. Salim erzählte, das sei so weit gegangen, daß aus den Räubern fette, träge Sammler wurden, die niemandem mehr Angst einjagen konnten.
 
Die Aussicht auf sicheren Schutz vor Räubern lockte also bald keinen Fahrgast mehr in seine Kutsche. Salim überlegte  verzweifelt, was er tun könnte. Eines Taes brachte ihn eine alte Dame aus Beirut auf die rettende Idee. Während der Fahrt erzählte er ihr ausführlich die Abenteuer eines Räubers, derr sich ausgerechnet in die Tochter des Sultans verliebt hatte. Salim kannte den Räuber persönlich. Als die Kutsche am Ende der Reise in Damaskus hielt, soll die Frau gerufen haben: "Gott segne deine Zunge, junger Mann. Die Zeit mit dir war viel zu kurz. "Salim nannte diese Frau seine "Glücksfee", und von nun an versprach er den Fahrgästen, vom Beginn der Reise bis zur Ankunft Geschichten zu erzählen, so daß die Mühen der Reise gar nicht spüren würden. Das war seine Rettung; denn kein anderer Kutscher konnte so gut erzählen wie er.
 
Wie schaffe es aber der alte Fuchs, der nicht lesen und schreiben konnte, immer wieder neue und frissche Geschichten zu erzählen? Ganz einfach! Wenn die Fahrgäste ein paar Geschichten gehört hatten, fragte er beiläufig: "Kan jemand von euch auch eine Geschichte zum besten geben?" Da ab es unter den Leuten immer wieder jemanden, einen Mann oder eine Frau, der antwortete: "Ich kenne eine unglaubliche Geschichte. Sie ist aber bei Gott wahr! Oder: "Na, ja, ich kann nicht gut erzählen, doch ein Schäfer hat mir einst eine Geschichte erzählt, und wenn die Herrschaften mich nicht auslachen, würde ich sie gern erzählen. Er würzte sie später nach und erzählte sie den nachsten Fahrgästen. So war sein Vorrat immer frisch und unerschöpflich.
 
Stundenlang konnte der alte Kutscher die Zuhörer mit seinen Geschichten verzaubern. Er erzählte von Königen, Feen und Räubern, und er hatte in seinem langen Leben viel erlebt. Ob er heitere, traurige oder spanende Geschichten erzählte, seine Stimme verzauberte jeden. Sie brachte nicht nur Trauer, Zorn  und Freude hervor, es wurden sogar Wind, Sonne und Regen für uns spürbar. Wenn Salim zu erzälen anfing, segelte er in seinen Geschichtewie eine Schwalbe. Er flog über Berge und Täler und kannte alle Wege von unserer Gasse bis nach Peking und zurück. Wen es ihm gefiel, landete er auf dem Berg Ararat - und sonst nirgends - und rauchte seine Wasserpfeife.
 
Hatte der Kutscher keine Lust zu fliegen, so durchstrefte er in seinen Erzählungen die Meere der Erde wie ein junger Delphin. Wegen seiner Kurzsichtigkeit begleitete ihn auf seinen Reisen ein Bussard und lieh ihm seine Augen.
 
So schmächtig und klein er auch war, in seinen Erzählungen bezwang Salim nicht nur Riesen mit funkelnden Augen und furchterregenden Schnurrbärten, er schlug auch Haifische in die Flucht, und fast auf jeder Reise kämpfte er it einem Ungeheure.
 
Seine Flüge waren uns vertraut wie das anmutige Segeln der Schwalben am blauen Himmel von Damaskus. Wie oft stand ich als Kind am Fenster und schwebte in Flüge haben mir damals kaum Angst bereitet. Aber ich zitterte mit den anderen Zuhörern vor den Kämpfen, die Salim mit den Haifischen und anderen Meeresungeheuern zu bestehen hatte.
 
Mindestens einmal im Monat verlangten die Nachbarn von dem alten Kutscher, er solle die Geschichte vom mexikanischen Fischer erzählen. Salim erzählte diese Geschichte besonders gern. Darin schwamm er gerade friedlich und munter wie ein Delphin im Golf von Mexiko, als ein bösartiger Krake ein winziges Fischerboot anfriff. Das Boot kenterte. Der Krake fing an, den Fischer mit seinen Armen zu umschlingen. Beinahe hätte er ihn erwürgt, wenn ihm Salim nicht zu Hilfe geeilt wäre. Der Fischer weinte vor Freude und schwor bei der heiligen Maria, wenn seine schwangere Frau einen Jungen zur Welt brächte, würde er ihn Salim nennen. - Hier hielt der alte Kutscher in seiner Erzählung immer inne, um zu prüfen, ob wir wachsam zugehört hatten.
 
"Ja, und was wäre gewesen, wenn sie ein Mädchen geboren hätte?" mußte die Frage lauten. Der alte Kutscher ächelte zufrieden, zog an seiner Wasserpfeife und strich über seinen grauen Schnurrbart. "Er hätte das Mädchen dann natürlich Salime genannt", lautete seine Antwort immer.
 
Der Kampf mit dem gewaltigen Kraken dauerte lang. Im Winter saßen wir Kinder in seinem Zimmer eing beieinander und zitterten voller Sorge um den Kutscher, der gegen die gewaltigen Arme mit ihren unzähligen Saugnäpfen kämpfte, und wenn es draußen donnerte, rückten wi noch enger zusammen.
 
Tamim, ein Kind aus der Nachbarschaft, hatte die unverschämte Angewohnheit, mitch während der Erzählung plötzlich mit seinen fleischigen Fingern am Hals zu packen. Ich erschrak jedesmal und schrie. Kutscher Salim tadelte den Miesmaccher kurz, fragte mich, wo er in seiner Erzählung stehengeblieben war, und kehrte zu seinem  Kampf mit dem Kraken zurück.
 
Gingen wir dann nach Hause, bekamen wir bei jedem Rascheln der Herbstblätter eine Gänsehaut, als lauerte der Krake dort auf uns. Der feige Tamim, der im Zimmer so tat, als beeindrucke ihn die Erzählung nicht, hatte am meisten Angst. Er mußte durch unseren Hof und noch durch eine dunkle Gasse gehen. Er wohnte nämlich ein paar Häuser weiter, während ich und drei andere Kinder sogar beim Einschlafen Salims beruhigende Nähe spüren konnten.
 
Eines Nachts war der Kampf mit dem Kraken besonders heftig. Ich war überglïculich, als ich mein Bett heil erreicht hatte. Plötzlich hörte ich Tamims Stimme. Er jammerte leise an der Tür des alten Mannes: "Onkel Salim, bist du noch wach?"
 
"Wer ist da?" Tamim, mein Junge, was ist los?
"Onkel, ich hab Angst, da knurrt etwas im Dunkeln."
"Warte, ein Junge, warte! Ich komme schon. Ich muß nur schnell meinen jemenitischen Dolch holen", beruhigte Salim ihn durch die geschlossene Tür.
 
Tamim stand beschämt da, weil wir alle, die nahhe bei Saim wohnten, laut lachen.
 
"Du gehst immer einen Schritt hinter mir her, und wenn auch ein Tiger auf uns springt, hab keine Angst. Ich halte ihn zurück, und du rennst nach Hause", flüsterte der alte Mann und brachte Tamim in Sicherheit, obwohl er halb blind war und in der Nacht kaum sehen konnte. So gut wie Salim konnte keiner lügen.
 
Ja, Salim liebte die Lüge, aber übertreiben wollte er nie. Eines Tages saß einer der Nachbarn bei uns und hörte vergnügt die Geschichte mit dem Kraken und dem mexikanischen Fischer. Doch mitten im Kampf wollte er plötzlich wissen, wie lang die Krakenarme seien.
 
Slaim erschreckte die Frage. "Sehr lang... mit vielen... Saugnäpfen", sagte er etwas verwirrt.
 
"Wie lang waren sie? Einen Meter? Zehn Meter?" höhnte der Nachbar.
 
"Das weiß ich doch nicht. Ich bin nicht hingegangen, um seine Arme zu messen. Ich mußte die Dinger loswerden und nicht dem Kraken einen Maßanzug scheinern", giftete der alte Kutscher zurück, und wir lachten. Der Mann murmelte aber immer wieder etwas zwischen den Zähnen, während der Kutscher so lange auf den Kraken einschlug, bis er seine ganze Tinte ausspuckte und die Flucht ergriff, und als Salim gerade den Kampf beendet hatte und an der kubanischen Küste seine verdiente Wasserpfeife rauchen wollte, meldete sich der Mann wieder: "Dann bist du es also, der die Meere blau färbte!"
 
"Nein, nein, die Meere waren schon vor meiner Geburt blau. Viele tapfere Kerle kämpften mit den Kraken. Der erste von ihnen lebte im Jahre dreihundersiebenundzwanzig vor Adam und Eva", sagte der Kutscher unbeirrt und zog ein paarmal an seiner Wasserpfeife. Danach setzte er seine Pause an der Küste Kubas fort.
 
Als ich Salim eines Tages fragte, warum seine Worte die Menschen verzaubern können, antwortete er: "Weil das ein Geschenk der Wüste ist", und da ich nicht verstand, was er damit meinte, erklärte er es mir: "Die Wüste, mein Freund, ist für einen fremden Besucher schön. Leute, die nur für ein paar Tage, Wochen oder Monate in der Wüste leben, finden sie zauberhaft, aber auf Dauer ist das Leben in der Wüste hart. Du kannst ihr in der sengenden Hitze des Tages und der klirrenden Kälte der Nacht nichts Schönes mehr abgewinnen. Deshalb wollte niemand in der Wüste leben, und sie war sehr einsam. Sie schrie um Hilfe, doch die Karawanen durchquerten sie und waren froh, wenn sie der Einöde heil entkamen. Eines Tages zog mein Urururgroßvaer, er hieß auch Salim, mit seiner Sippe durch die Sahara. Als er die Hilferufe der Wüste hörte, beschloß er, dazubleiben, um die Wüste nicht allein zu lassen. Viele lachten ihn aus, da er die grünen Gärten der Städte zurückließe, um sein Leben im Sand zu suchen. Doch mein Urururgroßvater hielt treu zur Wüste. Er glaubte sein Leben lang, daß eine Überwundene Einsamkeit das Paradies sei. Von nun an vertrieben seine Kinder und Kindeskinder die Einsamkeit der Wüste durch ihr Lachen, ihre Spiele und ihre Träume. Die Pferde meines Urururgroßvaters klopften mit ihren Hufen die Glieder der Wüste wach, und der weiche Gang seiner Kamele brachte der Wüste Ruhe. Aus Dankbarkeit schenkte sie ihm und all seinen Kindern und Kindeskindern die schönste aller Farben: die geheime Farbe de Worte, damit sie sich am Lagerfeuer und auf ihren langen Reisen etwas erzählen konnten. So verwandelten meine Vorfahren den Sand in Berge undin Wasserfälle, in Urwälder und in Schnee. Am Lagerfeuer erzählten sie, fast verhungert und verdurstet, mitten in der Wüste vom Paradies, wo Milch und Honig fließen. Ja, sie nahmen ihr Paradies mit auf ihre Reisen. Durch das verzauberte Wort wurden alle Berge und Täler, alle Planeten und Welten leichter als eine Feder.
 
In mehr als vierzig Jahren kam Salim mit seiner Kutsche nicht weiter als bis Beirut, aber mit den Flügeln seiner Wörter bereistete er wie kaum ein anderer die Länder der Erde. Daß ausgerechnet er plötzlichstumm wurde, verwirte die Bewohner seiner Gasse. Nicht einmal seine besten Freunde konnten es glauben.
 
Rafik Schami - Erzähler der Nacht
Wie der Kutscher Salim sitzend zu seinen Geschichten kam und sie unendlich lang frisch halten konnte.
 
 

Friday 24 April 2015

ERFOLG UND ERFOLGREICHE MENSCHEN


Als Bruce Lee 29 Jahre alt war, hatte seine Wirbelsäule eine schwere Verletzung, die unmöglich zu heilen schien. Selbst die Ärzte sagten, dass er nie wieder laufen würde. Aber seine Mühe und Hingabe ermöglichten ihm, dass er die Grenze der Realität eines Menschen überwinden konnte. Ein Jahr später spielte er nämlich die Hauptrolle in dem Film „The Big Boss“. Die Leute waren von seinen Fähigkeiten überrascht.

Ausdauer, Hartnäckigkeit und ein ständiger Glaube an sich selbst haben das Unmögliche möglich gemacht. Die gleichen Zutaten sind bei der Erreichung jedes Zieles präsent. Ein schönes Haus zu bauen, das von uns geschriebene Buch zu veröffentlichen oder die wahre Liebe zu finden. Das Erfolgskonzept variiert von Mensch zu Mensch. Die Mittel, um dies zu erreichen, sind aber ähnlich. Hinter dem Erfolg verbirgt sich zumeist viel Arbeit und, vor allen Dingen, ein bedingungsloses Selbstbewusstsein: ein unverzichtbarer Bestandteil jedes Sieges, das mit jedem Sieg wächst.

Aber warum sind einige Menschen mit diesen „Zutaten des Erfolgs“ ausgestattet, während andere niemals an sich selbst glauben können? Was macht Menschen zufrieden?

Ein buddhistisches Prinzip erläutet, dass das Selbstbewusstsein, das Ergebnis einer Reihe von täglich gewonnenen Siegen sei. Ein armer Mensch z.B., der einen Job als Tellerwäscher bekommt, hat wahrscheinlich damit die Armut hinter sich gelassen. Und daneben hat er einen Grund, Dankbarkeit und Würde zu fühlen. Im Gegensatz dazu könnte den gleichen Arbeitsplatz für einen anderen Menschen genau das Gegenteil heißen. Wer seit seiner Geburt das Glück – oder Unglück – gehabt hat, mit allen Reichtümern aufgewachsen zu sein, dem ist wahrscheinlich der Wert seines Vermögens nicht bewusst. Daher haben viele reiche Menschen das Gefühl, viel näher am ständigen Scheitern zu sein, als andere, die offensichtlich viel weniger haben.

Der Fakt ist unheimlich verständlicher als das, was wir denken. Wenn man im schönsten Haus der Welt aufgewachsen ist; wenn die eigene Familie zu den privilegierten gehört; wenn studieren nie ein Privileg gewesen ist und man noch nicht kämpfen musste, um Prüfungen zu bestehen; wenn die Familie eines Menschen sich bemüht hat, diesem einen Job zu suchen, sodass er nie die Schwierigkeit eines Bewerbungsgesprächs erfahren musste… Kurz und bündig: wenn man nie weder das Bedürfnis noch das Unglück gekannt hat, kann man nicht wissen, was Überwindung heißt. Viele wohlhabende Familien verneinen ihren Kindern das Recht, diese Würde kennenzulernen. Die übermäßige Leichtigkeit ist oft von mangelnder Motivation begleitet.

Meiner Meinung nach ist „Selbstbewusstsein“ der Schatz, der das Leben der Armen verändern hilft. Die Frage, was wir im Leben wollen, hat viele mögliche Antworten, aber alle Ziele durchqueren einen einzigen Weg: die Mühe. Diese ist die „geheime“ Zutat, die den Menschen stärkerer und sicherer macht. Materielles Vermögen und Familie können das Leben einfacher machen. Trotzdem können wir uns nur erfolgreich fühlen, wenn wir selbst lernen, Schwierigkeiten zu überwinden.







Copyright Luisa Fernández Baladrón
Usted puede utilizar este enlace en su página, reenviar este texto o distribuir el documento completo de forma GRATUITA y SIN MODIFICARLO. No puede modificar, extraer o copiar este texto sin la autorización de su autor

TERROR IN DER BUCHHALTUNG

Einst arbeitete ich als Buchhalterin bei einer Firma, in der mein Vorgänger bereits  seit einem Jahr krankgeschrieben war. Die einzige Information des Buchhalters, die das Unternehmen binnen eines Jahres bekam, war das wöchentliche Fax mit der Meldung seiner Arbeitsunfähigkeit.

Die Buchhaltung war eine Schande. Da ich in der Probezeit war, blieb mir nichts anderes übrig, als viele nicht bezahlte Überstunden zu arbeiten. Eines Tages, als die Buchhaltung bereits in Ordnung und meine Probezeit fast abgelaufen war, entschloss mein Vorgänger, wieder zu arbeiten. Das war doch ärgerlich. Übrigens, zehn Tage später wäre seine maximale Arbeitsunfähigkeitsfrist zu Ende gewesen.

Aber der schlechte Tag würde mindestens Spass hervorrufen.

Zwei Monate zuvor hatten wir eine geschlossene Metalkassette ohne Schlüssel gefunden. Diese laßen wir in einer Schublade, zusammen mit den anderen Dingen meines Vorgängers: einen Anorak, eine pornographische Zeitschrift und eine braune Unterhose.

Beim Treffen gaben wir ihm die Kiste.

-                     Diese Kiste gehört zum Unternehmen.

 Mittels eines Bleistifts öffnete er sie. Da dürften 500 € sein. Er erklärte:

-          Eines Tages hatte ich beim Kassenabschluss 500€ mehr in der Kasse als in den Konten. Ich versuchte erfolglos, die Differenz zu erklären. Schließlich hielt ich den Betrag zurück, falls mir bei einer anderen Gelegenheit zwei oder drei hundert fehlen würden.

Seitdem wird er als “Buchhaltungsterrorist” angeredet. 


 
 


http://www.fernandezbaladron.com/
 
Copyright Luisa Fernández Baladrón
 
Usted puede utilizar este enlace en su página, reenviar este texto o distribuir el documento completo de forma GRATUITA y SIN MODIFICARLO. No puede modificar, extraer o copiar este texto sin la autorización de su autor.

Tuesday 24 March 2015